Drehtagebuch

Phase 4: Bangladesch

Nach den landschaftlichen Weiten in Mali, wo man 10 Einwohner pro 10 km2 zählt, war Bangladesh mit 1066 Einwohnern pro km2 eine nicht unerhebliche Umstellung.
Die Hauptstadt Dhaka begrüßt den Besucher mit viel Lärm, von Rikschas, von Autos, von kleinen Tuk-Tuk Taxis, von Kühen und vor allem von Tausenden Bangladeshi. Eine Unruhe, die uns aber nicht davon abhielt, schnell das Headquarter der Grameen Bank aufzusuchen, um unsere Protagonisten aus Bangladesh zu begrüßen.

Die Grameen Bank gehört zu den weltweit größten Banken der Welt und hat durch die Initiative des Friedensnobelpreisträgers Muhammad Yunus inzwischen an über 7 Millionen Menschen, davon 97% Frauen, Mikro-Kredite mit einem Gesamtwert von 6,55 Milliarden Dollar verliehen. Das über Dhaka ragende Hochhaus demonstriert die Größe und den Einfluss des Grameen Konzerns, der mit Tochterunternehemen wie Grameen Phone (Handynetz), Grameen Check (Bekleidung), Grameen Danone (Lebensmittel) und Grameen Shakti (Energie) in alle wichtigsten Bereiche des Lebens mit einem ganzheitlichen Konzept vorgestoßen ist.

Wir hatten die Ehre, den Gründer des Konzerns kennenzulernen und mit ihm eine bewegendes Interview über Armut, Gerechtigkeit und Energieautonomie zu führen. Wir erlebten Professor Yunus in dem Umfeld seines Imperiums als einen perfekt organisierten, sehr freundlichen und bescheidenen Geschäftsführer und als einen der größten Visionäre dieses 21. Jahrhunderts.

Doch hinter jedem großen Visionär steht ein operativer Führer, eine linke Hand, derjenige, der die Vision tagtäglich in die Tat umsetzt. Dieser Mensch heißt Dipal Barua und ist der CEO von Grameen Shakti, der Energiesparte des Grameen-Konzerns. Barua kämpft dafür, ganz Bangladesh mit erneuerbaren Energien zu versorgen – ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung der Armut. Im Gegensatz zum Mali Folke Center, dessen Entwicklung noch am Anfang steht, ist dieses Projekt in Bangladesh bereits weit fortgeschritten. Statt Geld verleiht Grameen Shakti Solar-Home-Systems oder kleine Biogasanlagen. Die Rückzahlung dieser Kredite leisten die Kunden von den Erträgen der verbesserten Geschäftsbedingungen. Auf diese Weise hat Barua bereits mehrere Millionen Bangladeshi mit Energie versorgt – bis 2015 sollen es 75 Millionen sein, was außerdem 2 Mio Arbeitsplätze vorwiegend für Frauen schaffen wird. Um Baruas Vision zu begreifen, fuhren wir mit ihm aufs Land – raus aus dem Lärm, hinein in ein idyllisches und noch bunteres Bangladesh.

WIr besuchten Trainings-Stationen, in denen Frauen lernen, wie sie das Equipment für eine Solaranlage zusammenlöten, um sich unabhängiger zu machen. Alle Teile außer den Photovoltaikmodulen selbst werden in Bangladesh hergestellt.

Wir besuchten Biogasanlagen, angeschlossen an Bauernhöfe, die mit einem Schlag die Probleme einer ganzen Kommune lösten: kein Gestank mehr, und Energie ist immer stabil verfügbar.

Neben der perfekten Organisation kamen wir vor allem zum ersten Mal in Kontakt mit Frauen, denn auf der Straße sieht man sie wenig bis gar nicht. Barua hat eine Infrastruktur geschaffen, in der die Frauen sich entfalten können, sich weiterbilden, selbst unterrichten – sozusagen ein perpetuum mobile. Sicher eine Revolution in Bangladesh, für Energie und für die Frauen.